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Die Eingliederung von Mellody

oder „Eines ist fix: Es kommt immer anders“

Wir haben ein Pferd gekauft. Das wird nun in unsere Herde im Offenstall integriert.

Vorher…

Der Eingliederung unseres neuen Pferdes ging ein langer Entscheidungsprozess voran. Denn bei uns sind die Pferde ja Mitglieder der Familie und wir gehen von einem langen Zusammenleben aus. Da will Alles gut überlegt sein…

Zu Anfang stand natürlich die Überlegung, was wir von einem neuen Pferd erwarten, was es bei uns für eine Aufgabe haben kann, ob die Pferde - dann 4 - adäquat versorgt und untergebracht werden können. Diese Diskussion begleitete uns mehrere Monate in diversen Reihenfolgen der Punkte und alle Punkte mussten beantwortet werden.

  • Unser Stall ist nicht groß und die Pferde leben auf einem Freigelände mit einer kleinen Halle und einem Stallzelt (jeweils mit 2 Softbetten). Das Platzangebot schätzen wir als groß genug ein für 4 Pferde.
  • Unsere Koppeln sind ebenfalls eher klein und keinesfalls zur kompletten Ernährung der Pferde geeignet. Sie werden in der warmen Jahreszeit zum Grasen benutzt. Allerdings streng limitiert (Rehegefahr, Ekzemer und reichhaltiges, zu energiereiches Gras machen das nötig). Wir füttern ganzjährig Heu zu (zeitgesteuert in Netzen). Sowohl Gras als auch Heu haben wir in ausreichender Menge für ein 4. Pferd.
  • Das neue Pferd muss komplett integriert werden, da wir keine 2. Gruppe oder eine Einzelhaltung auf der Anlage dauerhaft machen können und wollen.
  • Das Pferd soll schon die Basics der Reiterei beherrschen, eher kleiner sein um als Reitpferd auch für Kinder und Jugendliche geeignet zu sein.
  • Das Pferd soll Wallach oder Stute sein und am besten schon Offenstall kennen.
  • Das Pferd soll gesund sein.
  • Wir wollen, falls möglich, regional kaufen, um das Pferd vorher in Augenschein nehmen zu können, um uns ein gutes Bild von dem Tier machen zu können und auch die Chance zu haben, alles in Ruhe in die Wege zu leiten. Außerdem ist uns ein guter Kontakt zu den Züchtern wichtig.

Dann kam Mellody…

Mellody kannten wir eigentlich schon länger und sie war von Geburt an in einem kleinen aber feinen Zuchtstall in der Nähe aufgewachsen auf welchem wir ab und an zu Gast sind. Sie sollte eigentlich nicht verkauft werden, da die Züchterin sehr an ihr hing. Im Gespräch kamen wir aber zur beidseitigen Überzeugung, dass es einer näheren Überlegung wert wäre. So begannen wir zusammen, alle wichtigen Punkte abzuarbeiten um so sicher wie möglich zustellen, dass dies Pferd für uns und unsere Herde geeignet ist und dann auch eine Integration stattfinden kann.

Mellody ist eine Welsh Cob Stute mit 155 cm Stockmaß. Sie ist sehr menschenbezogen und in ihrer Herde bis dato ziemlich rangniedrig und unauffällig. Sie ist sehr schön gebaut, schlank und - bis auf einen Überbiss - ein Bild eines Welsh Cobs. Mähne und Schweif sind füllig und tiefschwarz. Für weitere Details bitte die Bilder anschauen…

Probereiten - da Mellody schon eine gute Grundausbildung hat, konnte Elisabeth probereiten. Auch eine Probefahrt mit der Kutsche im Einspänner war möglich. Beides verlief sehr gut.

Wir ließen dann auf unsere Kosten eine Untersuchung durch den Tierarzt machen. Ziel war es, eine objektive Beurteilung des Exterieurs zu bekommen und Röntgenbilder der Beine (wozu die Eisen abgenommen wurden. Im Falle des Nichtkaufs hätten wir natürlich den Schmied bezahlt um die Eisen wieder auf zu bringen). Dabei ging es bei dieser Untersuchung nicht um Misstrauen gegen den Verkäufer, sondern um Abklärung von Sachverhalten, welche man selbst nicht erkennen kann. Bei der Untersuchung waren beide Parteien mit von der Partie und die Untersuchung brachte ein eindeutiges Ergebnis: das Pferd ist fit und gesund! Wunderbar.

Es wurde dann ein Umzugstermin vereinbart. Das Pferd wird von der Züchterin zu uns gebracht um vorzeitigen Stress zu vermeiden.

Am Stall…

Wir setzten im Stall unsere Überlegungen zur Ankunft des Pferdes in die Tat um. Seit der Planung sind nun schon Wochen vergangen (Corona tat auch seinen Teil dazu). Wir neigen dazu, die Vor-Sorge etwas gründlicher zu sehen und haben uns jeden Schritt, der planbar ist, auch genau überlegt. Da wir aus vielen praktischen Erfahrungen wissen, dass sich so eine Eingliederung in alle Richtungen entwickeln kann (1 Stunde laufen und gut ist es aber auch Schlägereien mit langer Eingewöhnung beider Parteien sind ja möglich), hatten wir diverse Maßnahmen geplant.

  • Der Zaun wird kontrolliert. Es muss überall Strom in guter Stärke fließen. Es soll keine Stolperfallen geben oder irgendwelche Teile rumliegen. Also wird gründlich ausgemäht und kontrolliert.
  • Futter muss in ausreichendem Maße in jeder Situation verfügbar sein. Die Raufe ist frisch gefüllt und ein weiterer Heuballen steht bereit. Heunetze zur Eröffnung weiterer Futterstellen und zur Ausstattung der Box liegen parat.
  • Eine Box (4×4 Meter) wird in der Halle gebaut. Hier ist nun eingestreut, Wasser ist vorhanden und Futter ebenso.
  • Wir haben alle Termine verschoben und das ganze Wochenende frei gemacht um keinerlei Zeitstress zu haben.
  • Den Reitplatz, als erster Aufenthalt des neuen Pferdes auserkoren um ihr Gelegenheit zu geben, sich in Ruhe die Beine zu vertreten, erhielt noch einen zweiten Zaun zur Anlage hin, damit unsere Pferde nicht eher stören als geplant.

19.6.2020, Freitag Mellody kommt

Gegen 17 Uhr rollt das Gespann mit Mellody vor den Reitplatz. Das Ausladen ist unspektakulär und Mellody geht das erste Mal auf ihre neue Anlage. Unsere Pferde kennen dieses Prozedere sehr gut, denn für unsere Kurse sind ja oft fremde Pferde da. Sie haben entsprechend keinerlei Notiz von dem Pferd genommen. Mellody drehte ein paar Runden, war nervös, aber nicht über die Massen angespannt. Platini - unser Wallach - kam dann zum Zaun und wir entschieden, mit ihm einen Versuch zu wagen. Unsere Annahme war, dass er ein Mädel in seiner Herde gerne aufnehmen würde. Beide beschnupperten sich innig und schlugen dann unvermittelt. Das noch zweimal und mit der Peitsche (einmal Knallen genügt) wurde das Kennenlernen vorsichtshalber beendet. Eine schnelle Lösung war also hier keine Option.

Die Kunst bei der Eingliederung besteht unserer Ansicht darin, heraus zu finden, welche Möglichkeiten den nächsten Schritt in Richtung gewaltloses Kennenlernen ermöglichen. Wobei wir sicher sind, dass es ganz ohne Risiko kaum geht, denn schlussendlich muss man dann den Tieren den Freiraum geben, sich zu mögen (oder nicht). Auch wenn es dann klappt, kann das dicke Ende noch kommen. In einer „engen“ Situation, bei Futterverknappung (oder angenommener Futterverknappung), bei Stress oder herdendynamischen Prozessen kann immer noch etwas passieren. Aber das müssen wir Menschen eben auch akzeptieren, um den Tieren ein möglichst freies Leben bieten zu können. Das Alles war aber - unserer Erfahrung nach - mit weniger Verletzungsrisiko behaftet als ein dauerhaftes Boxenleben. Wobei es auch Pferde geben soll, die nicht integrierbar sind. Deren Historie sollte dann kritisch betrachtet werden. Oft haben wir direkte Zusammenhänge mit der vorherigen Haltungsform (oftmals Box/Einzelhaltung oder Aufwuchs ohne gleichaltrige Pferde) sehen können.

Dieser Abend brachte auf jeden Fall keine weiteren Annäherungsversuche. Unsere Pferde zogen sich an die Futterraufe zurück und ließen Mellody, nachdem wir sie auf die Anlage geführt hatten und sie mit dem Gelände bekannt gemacht hatten (unsere Pferde standen da verwundert auf dem Reitplatz abgetrennt), nicht in ihre Nähe.

Interessant war bei der alten Herde:

  • Joya übernahm deutlich die Führung bei den Abwehrversuchen gegen Mellody
  • Platini schloss sich an, war aber an Bestimmtheit nicht so stark wie Joya und selbst Samira (28 Jahre) war aggressiver als unser kleiner König.
  • Die drei waren plötzlich ein Herz und eine Seele. So nah waren sie sich die letzten zweieinhalb Jahre nicht! Einen ähnlichen Effekt hatten wir bei der Eingliederung unserer Hengstjährlinge vor Jahren auch. Sie haben sich die ganze Zeit gestritten und konnten kaum zusammen auf einem Platz sein. Dann kam die gemeinsame Eingliederung und ein paar Stunden Stress - danach waren sie bis zum Tod von Löwenherz ein Herz und eine Seele.

Mellody, die nervös war und ständig ihre alte Herde suchte sowie weite Strecken trabte (was wiederum zum Stressabbau beitrug), verbrachte die Nacht dann in der Box. Sie kannte ja bereits Gummimatten und war dann eher nervös, als die anderen Pferde aus dem Sichtfeld gingen. Wir haben die Heuraufe dauerhaft für die alte Herde geöffnet, denn dort waren sie zwar weit weg aber sichtbar. Mellody trank und frass und war deutlich ruhiger. Wir saßen noch bis in die Nacht und kontrollierten dann regelmäßig per Kamera die Pferde. Die Nacht war ruhig. Was Mellody geträumt hat, wissen wir nicht. Wir hatten eine kurze Nacht.

20.6.2020, Samstag Mellody ist nervös

Morgens haben wir Mellody aus der Box entlassen und sie galoppierte sofort in Richtung Herde. Die stand in der Nähe der Heuraufe, eng zusammen und entspannt. Aber Joya schaltete in Millisekunden auf Angriff und galoppierte Mellody entgegen. Das war es dann erst Mal. Wir ließen die Pferde in Ruhe (Mellody trabte auf den Reitplatz und verbrachte nun einige Zeit dort mit Horchen und Schauen). Mellody nahm alles Neue auf und entdeckte dann eine zweite Herde im Ort (die steht etwa 300 Meter weg hinter Büschen und Bäumen). Sie rief in diese Richtung, bekam aber auch keine Antwort. Sie rührte uns doch sehr in ihrer Hilflosigkeit. Gleichzeitig ärgerte uns die Abwehrreaktion unserer Pferde etwas. Aber: man muss Wege suchen… Unsere Nachbarn waren an diesem Tag sehr laut und nervten uns gewaltig (uns mehr als die Pferde). Wir lernen: auch die Menschen brauchen Nerven für die Eingliederung! Wir versuchten also etwas Normalität in den Tag zu bringen und holten unsere Pferde einzeln zum Putzen und Pflegen. Sie waren recht nervös und immer darauf bedacht, die eigenen Kumpel und das neue Pferd nicht aus den Augen zu verlieren. Wir taten an diesem Tag nichts Besonderes, sondern mühten uns, mit Futter und Normalität die Abstände der Pferde zu verringern. Nachmittags bauten wir ein Paddockgitter-Dreieck auf einem großen Platz des Paddock auf (3 Gitter zusammengekettet geben viel Platz für Heunetze ohne eine Sackgasse zu bilden). An jeder Seite waren Heunetze befestigt und Mellody und Joya (immer noch am aggressivsten) wurden gehalftert und an die Netze geführt und gehalten. Samira und Platini kamen sofort dazu und verteilten sich ebenfalls. So wurde in unmittelbarer Nähe und ohne jede Aggressivität gefressen. Der Stress bei allen Beteiligten sank enorm und von außen betrachtet war es ein friedliches Meeting mit 3 Menschen (einer als „Raumteiler) und 4 Pferden. Wir gaben der Situation eine gute Stunde. Dann ließen wir die gehalfterten Pferde frei. Es dauerte ein wenig, aber dann löste sich die Versammlung auf. Mellody wurde weggeschickt. Jedoch war ein deutlicheres Absinken der Energie zu sehen und es gab keine aggressiven Töne. Mit diesem Erfolg beendeten wir den Tag. Mellody ging wieder in die Box um ihre Beine und Hufe zu schonen und sie keinem übermäßigen Stress auszusetzen. Die Situation war wesentlich ruhiger als gestern. Die Kameras wiegten uns in den nötigen Schlaf…

21.6.2020, Sonntag Mellody kommt näher

Morgens war das Aufeinandertreffen von der Herde und Mellody ähnlich wie gestern, aber mit deutlich weniger Aggression. Dennoch gab es für Mellody vorerst keinen Weg zu den anderen Pferden. Sie konnte aber auf dem Rest der Anlage Alles erkunden und machte sich weiter mit den Geräuschen und Einrichtungen vertraut. Der Tränker war nun gar kein Problem mehr und auch die Heunetze nutzte sie völlig problemlos. Wir reinigten die Anlage wie gewohnt und entschlossen uns gegen Mittag dann, trotz Regen eine kleine Koppel zu öffnen. Diese kann man nahezu komplett öffnen um genug Platz für Ausweichmanöver zu schaffen. Auch der Flurschaden sollte sich ja in Grenzen halten (leider war das Wetter denkbar ungeeignet für so eine Eingliederung - es regnete immer wieder heftig und die Koppel, welche in der Planung angedacht war, war nicht begehbar). Nun ja, die Pferde drängten auf das Gras und Mellody konnte in relativer Nähe mitgrasen. Wir gingen dazwischen, wenn es zu einer Verdrängung kommen sollte. Inzwischen reichte aber schon ein Stimmkommando oder eine erhobene Peitsche um einen Anflug zu verhindern. Nur einmal kam Samira direkt auf Mellody zu und wir ließen den Kontakt laufen, da Samira bisher noch nicht persönlich Kontakt hatte mit der neuen Kameradin. Nach dem Schnuppern gab es einen Schlagabtausch ohne Berührung und beide grasten weiter. Insgesamt hatten wir ein gutes Gefühl und sahen Fortschritte. Der Nachmittag war ruhig und für die Nacht haben wir der alten Herde (auch weil es wieder stark regnete) Heunetze in das Stallzelt gehängt. Das machen wir nur in Ausnahmefällen, da das Zelt zum Ruhen ist. Aber es steht ja nur 10 Meter von Mellodys Box entfernt und wir hatten die Idee, dass gemeinsames Fressen und Schlafen, doch die Beziehung fördern könnte. Wir fuhren mit einem guten Gefühl nach Hause und sahen in den Kameras eine sehr ruhige, ja entspannte Mellody und drei eng zusammenstehende Pferde im Zelt. Alle im Trocknen und alle mit Heu…

22.6.2020, Montag Mellody wird ruhiger

Arbeitswoche - also ging es sehr früh zum Stall. Mellody ging aus der Box und trottet gleich zu den anderen Pferden. Sie durfte heute nah kommen und die Abwehrdistanz waren nur noch Meter. Auch die Abwehrhaltung war sehr deutlich geringer geworden. Platini und Samira wurden nur noch von Joya angestachelt. Nach dem Ausmisten und reinigen der Anlage füllten wir wieder die Netze im Stallzelt und - obwohl die Heuraufe auch Heu freigab - blieb die Herde unten am Zelt zum Fressen. Mellody kam wieder in die Box, da wir beide arbeiten mussten. Wir beobachteten jedoch regelmäßig, wie es im Stall geht. Es war sehr ruhig und alle chillten. Am frühen Nachmittag konnte Mellody wieder raus und - während unsere Pferde geputzt, gearbeitet und begutachtet wurden (Joya hat immer noch Husten und der Tierarzt war zur Kontrolle da) - hat sie nun auch den letzten Teil der Anlage oben bei der Heuraufe begutachtet. Fressen wollte sie dort aber nicht alleine. Platini und Samira kehrten nach Tagen der „Abstinenz“ zurück auf den „Marktplatz“ unserer Anlage um bei uns zu sein und auch mal ein Leckerli zu kassieren. Mellodys Nähe störte sie nur selten. Der Weg zur Normalität ist geebnet (aber immer noch steinig)

23.6.2020, Dienstag Mellody duscht

Früh zum Stall um auszumisten, Wasser zu füllen, Heunetze parat stellen und Mellody 1 ½ Stunden Auslauf zu geben. Als ich im Stall ankam war es geradezu friedlich ruhig. Unsere Pferde standen - wie bisher sehr oft - im Stallzelt und chillten. Mellody tat dies ebenfalls in ihrer Box gegenüber. Der Boxenboden zeigte: sie hatte eine sehr ruhige Nacht ohne viel Bewegung. Sie hat viel getrunken und auch gut geäppelt. Das Heunetz war noch nicht ganz leer und sie sah mir fröhlich entgegen. Sogar ein kleines Grunzen als Gruß kam über ihre Lippen. Ich machte dann leider einen Fehler, da der Hafereimer sich an der Tür verklemmt hatte. Als Mellody die Box verließ, zerbrach der Eimer und der Knall löste die ruhige Pferdeversammlung auf. Aber es passierte nicht mehr und heute hat Platini mir - wie er es immer tut - beim misten geholfen. Für ihn ist die Eingliederung eigentlich abgeschlossen, aber Joya stachelt ihn immer etwas auf. Jedenfalls ging er gleich mal in die Box und inspizierte alles dort. Manchmal glaube ich, er hat das Buch von Mark Rashid über „Second Leadership“ gelesen… Mellody ging spazieren, drehte ein paar Runden auf dem Reitplatz (für uns ungewohnt, aber sie läuft einfach gerne und locker) und begleitete mich ein Stück weit beim Säubern der Anlage. Sie hat keine Scheu und kam auf Zuruf um sich halftern zu lassen und wieder in die Box zu gehen. Dort hat sie einen Großteil des Vormittags geschlafen. Nachmittags war Koppel angesagt. Hier hat Mellody allerdings noch keine ruhige Zeit, da Joya „ihr“ Futter verteidigt. Aber es war eine schöne Abwechslung. Dann Hat Elisabeth Mellody geduscht. Es ist ja schon recht warm (24 °C) und Mellody war etwas verschwitzt. Duschen mag sie, das steht außer Frage. Nachdem die erste Seite fertig war drehte sie sich selbst um und genoss sichtlich das kühle Nass. Ein kleiner Schritt in Richtung Normalität.

24.6.2020, Mittwoch Mellody trabt

Mit dem Sonnenaufgang zum Stall und Mellody durfte gleich raus. Die anderen Pferde standen rundum und es war ein sehr ruhiger Meinungsaustausch. Dann marschierte die Truppe einmal rund um die Anlage. Joya ging dann wieder der Gaul durch (hier passt das ja mal) und sie wird dann richtig getrieben anzugaloppieren und mit Drohgesicht Mellody wegzuschicken. Aber diese Angriffe werden jeden Tag etwas flacher und enden in der Regel zwei Meter vor Mellody. Wenn die stehen bliebe, wäre das Problem vermutlich nahezu gelöst. Sie trabt aber lieber auf den Reitplatz, grast ein wenig, trabt, schaut ein wenig, trabt… Platini ist dann zu Mellody auf den Reitplatz gegangen und hat sich schrittweise genähert. Sie haben sich beschnuppert und er hatte etwas Sorge, dass sie wieder schlagen würde. Aber Alles war gut und Platini hat mich dann auch begleitet, als ich Mellody wieder in die Box führte. Der ist also schon mit ihr einverstanden. Samira ist nahezu neutral. Sie freut sich nicht über Fresskonkurrenten aber zeigt keine Aggressionen und hält sich - auch wegen ihres Alters - zurück. Unsere Aufgabe also für die nächsten Einheiten: Joya…

25.6.2020, Donnerstag Mellody sucht ihren Weg

Früh morgens kann Mellody wieder zu den anderen Pferden. Sie reagiert auf Joyas Mobbing allerdings relativ oft mit dem Gang zum Reitplatz. Dort angekommen fällt sie in leichte stereotype. Sie trabt sehr gerne (was durch den Boxenaufenthalt ja auch verständlich ist). Aber sie benutzt relativ häufig gleiche Laufmuster. Lässt sich dann immer wieder von einem schönen Grashalm oder ähnlichem anhalten. Da sie noch ohne Eisen unterwegs ist, sperre ich den Reitplatz ab, damit sie nicht bei der Lauferei die Hufe zu weit runterraspelt. Am Dienstag kommt der Schmied. Auf der Anlage selbst ist Platz genug um das Laufbedürfnis aus zu leben. Wir öffnen dann - trotz feuchter Böden - eine Koppel und die alte Herde hat natürlich dadurch kaum Augen für Mellody. Die kann sich in die Nähe stellen und darf lange mitgrasen. Dann gehen Joya wieder die Lichter aus und sie vertriebt sie aus dem Paradies. Aber Mellody ist gewillt, nicht alleine zu bleiben und sie arbeitet sich wieder ran. Das ist ein sehr positiver Schritt. Die Scharmützel sind auch reduziert auf reine Drohgebärden (und Joya kann drohen!) und so schöpfen wir Hoffnung für das Wochenende. Zur Erinnerung: Wir haben die automatische Heuraufe in diesen Tagen ja außer Betrieb gesetzt, denn wir wollen, dass die drei Pferde in Mellodys Nähe bleiben… Box zur Sicherheit, aber nicht alleine, denn da wäre der Stress zu groß.

26.6.2020, Freitag Mellody nähert sich

Heute habe ich den Pferden wieder eine Koppel geöffnet und der Vortag wiederholte sich fast. Morgens war es aber schon merklich ruhiger und die Pferde sind miteinander eine Runde getrabt. Dann teilte sich das Feld 3 zu 1 und Mellody hatte den Tag über zu tun, immer wieder mal nah ran zu kommen. Platini suchte Kontakt, Samira war neutral und Joya drohte. Manchmal denkt man schon: „Was sollen wir tun, wenn das nicht aufhört?“ Aber dann siegt die Zuversicht, dass Pferde Herdentiere sind und eigentlich die Nähe und die anderen Pferde suchen. Aber es braucht Zeit und Platz! Bei genauer Beobachtung sahen wir, dass der Abstand der Pferde im Schnitt geringer wurde und die Attacken kürzer und oberflächlicher. Abends viel uns auf, dass Joya rossig war und in Richtung Mellody geblinkt hat

27.6.2020, Samstag Mellody kommt an

Tja, wir kommen zum Stall und Platini und Joya stehen vor der Boxenabsperrung (wir haben zum Gitter einen elektrischen Draht aufgebaut, damit die Pferde nicht an die Gitter schlagen können - Verletzungsgefahr!). Sie wiehern leise und grummeln. Mellody macht drin dasselbe. Was soll uns das sagen? Wir hoffen auf das Beste. Mellody bekommt ihre Fliegendecke (sie hasst Bremsen) und eine Fliegenhaube und geht dann raus. Und - man kann das im Moment nicht so richtig fassen - sie geht locker voran, Joya direkt hinterher. Dahinter dann Platini und Samira. Der Zug marschiert einmal rund um die Anlage und checkt dann im Stallzelt an den Heunetzen ein! Kein Quietschen, keine Aggression. Nichts! Die Herde hat sich gefunden. So bleibt das den ganzen Tag. Wir unterstützen das noch, in dem wir Mellodys Box wieder komplett abbauen, damit alles ganz normal ist und sie die Halle zum Rasten nutzen können (Schatten). Auch die Koppeln machen wir wieder auf, damit Platz ist. Aber sie gehen in der Gruppe, fressen zusammen und Joya frisst mit Mellody aus einem Heunetz. Zur Sicherheit kontrollieren wir stündlich, aber es bleibt! WUNDERBAR!

Was erwähnenswert ist: Samira und Joya haben ihr Kriegsbeil auch gleich mit begraben. Wenn das Bestand hätte!

Keine Angst, wir sind gegen Rückschläge gewappnet aber in dieser Nacht bleibt die Box weg und die Koppeln offen. Sie können sich so näher kennen lernen und wir lassen den Sonntag mit einem guten Gefühl kommen!

eingliederungstagebuch-mellody.txt · Zuletzt geändert: 2020/07/17 09:21 von andreasweingarten

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